Wirtschaftsgeschichte
Text aus dem Buch “Tristach einst und jetzt”, hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Verfassers, Dr. Wilfried Beimrohr, Tiroler Landesarchiv.
Auf die Wirtschaft Tristach können nur Schlaglichter geworfen werden. Das Quellenmaterial ist dünn und weit verstreut. Erst das Aufkommen der Statistik im späten 18. Jahrhundert liefert uns vereinzelt wirtschaftsbezogene Daten, die einigermaßen verlässliche Aussagen ermöglichen. Es wird kein großes Geheimnis verraten, wenn man darauf hinweist, daß Tristach bis in unser Jahrhundert fast ausschließlich von der Landwirtschaft gelebt hat. Zwar tauchen im Laufe der Jahrhunderte immer wieder kleine Bauern auf, die sich nebenbei als Müller, Rädermacher, Schneider, Schuster, Zimmerer, Maurer usw. verdingen, aber in der Masse fielen sie nicht ins Gewicht. Eine bescheidene gewerbliche Struktur bildete sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts heraus, die stark auf das nahe gelegene Lienz ausgerichtet war. Ein kleines Bergwerk und eine damit zusammenhängende Schmelzhütte in der Nähe des Seebaches sind eine vorübergehende Erscheinung des 16. Jahrhunderts. Weitgehend ernährten sich die Menschen von der Landwirtschaft, wobei sich Ackerbau und Viehzucht in etwa die Waage hielten. Hinter ihnen traten Waldwirtschaft und Obstbau deutlich zurück. Bearbeitet wurden Grund und Boden von mittleren und kleinen Bauern, die sich mehr schlecht als recht über Wasser halten konnten, denn die Tendenz zur Besitzzersplitterung ist in einer Talgemeinde wie Tristach unverkennbar. Zudem drohte die ungebändigte Drau die nahe gelegenen Weidegebiete immer wieder zu verwüsten. Ein amtlicher Bericht von 1807 befasste sich erstmals ausführlicher mit den landwirtschaftlichen Gegebenheiten im Landgericht Lienz. Die hierin geschilderten Verhältnisse dürften auch auf Tristach passen: Demnach konnte sich dieser Bezirk, wenn nicht gerade Missernten zu verzeichnen waren, gerade ausreichend mit Getreide versorgen. Angebaut wurden Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Hirse, Buchweizen, Mais, Hanf, Flachs, sehr wenig Küchenkräuter und Hülsenfrüchte. Der Obstbau fiel nicht weiter ins Gewicht. Weiters – so ist dem Bericht zu entnehmen – waren die hiesigen Bauern auf Kälberzucht spezialisiert, die zwei- bis dreijährigen Jungtiere wurden dann weiterverkauft; daneben hielten sie Milchkühe, Schafe, Schweine, Ziegen.
Hohes Niveau bescheinigte ein weiteres amtliches Gutachten, diesmal aus dem Jahre 1814, der Landwirtschaft im Bereich Osttirol. “Der Ackerbau ist auf einem hohen Grad der Vollkommenheit gediegen, wozu der Fleiß und die Tätigkeit des hiesigen Landmannes und die Abfälle der ausgebreiteten Viehzucht das meiste beitragen”, weiß der beamtete Schreiber im gestelzten Stil zu vermelden. Ungenutzten Boden finde man hier nicht, Brache bedeute schon, wenn ein Feld für vier bis sechs Wochen ruhen darf, um für den Rüben- oder Getreidebau vorbereitet zu werden. Die Fruchtwechselwirtschaft sei allgemein verbreitet. Neuwiesen werden im ersten Jahr mit Hafer oder Hirse, im nächsten Jahr mit Weizen, dann Winterroggen (Zweitfrucht können aber auch Rüben und Buchweizen sein), im dritten Jahr mit Gerste, Mais oder Weizen und Klee bebaut. In guten Erntejahren sei eine Nachernte durch Anbau von Buchweizen, Rüben oder Klee nichts Ungewöhnliches. Die meisten Felder werden als Egarten genutzt, d.h. drei bis vier Jahre als Wiesen und dann ebenso lang als Acker. Erwähnt wird auch der Kartoffelanbau, der aber erst in den Anfängen steckt. Die Getreideerträge guter Böden wurden damals auf das 6-bis 8fache der Aussaat geschätzt.
Als wichtigste Einnahmequelle der Landwirtschaft, ja der Wirtschaft insgesamt bezeichnet das Gutachten die Viehzucht, deren beachtlicher Standard hervorgehoben wird. Die Stallfütterung des Viehs sei überall zu finden, nur von Ende Mai bis Ende September werde das Vieh auf die Almen getrieben, wo es für Pferde, Ochsen, Kühe, Schafe, Ziegen gesonderte Weideplätze gebe. Überall liege bestes Wiesenland ein, dessen Gras so prächtig gedeihe, daß es, obgleich die Wiesen zusätzlich als Weide verwendet werden, alle zwei, drei Jahre gemäht werden könne.
Die früheste landwirtschaftliche Statistik für Tristach stammt aus dem Jahre 1773. Gezählt wurden damals 43 Häuser und 255 Einwohner, wovon der überwiegende Teil in der Landwirtschaft tätig war. In Sondernutzung (zu den einzelnen Höfen gehöriger Grund und Boden) standen rund 47 ha als Ackerland, 60 ha als Frühwiesen, 44 ha als Galtwiesen und 120 ha als Wald. Auf die Gemeindealmen (die wie die Gemeindewälder flächenmäßig nicht erfasst wurden) wurden 115 Stück Vieh aufgetrieben. Das gemeinsame Weideland betrug damals 94 ha. Die Tristacher Landwirte besaßen 240 Rinder, 18 Pferde, 128 Schafe.
Eine Statistik, die Kulturflächen insgesamt ausweist, liegt für das Jahr 1910 vor: Von den 1877 ha Gemeindegebiet unterlagen 1484 ha der Grundsteuer, waren also produktive Flächen. Davon waren 83 ha Acker, 136 ha Wiesen, 3,5 ha Gärten, 219 ha Hutweiden und Almen und 1042 ha Wald. Gezählt wurden damals 13 Pferde, 299 Rinder, 11 Schafe und 28 Schweine. Diese nackten Zahlen machen deutlich, daß sich im 19. Jahrhundert in der Tristacher Landwirtschaft einiges getan hat. Gemeindeland, bisher nur als Weide dienend, war auf die Bauern aufgeteilt worden und von ihnen in fruchtbares Acker- und Wiesenland umgewandelt worden. Aber auch andere Aktivitäten wurden gesetzt. Am 25. Juli 1842 berichtete der Bote für Tirol und Vorarlberg: „Ein anderer Bewässerungskanal ist von den unternehmenden Bewohnern aus dem Drauflusse über Amlach und Tristach im Frühjahre 1938 Wiener Fuß lang, 7 Fuß breit, geleitet worden, der diese schönen Fluren tränkt … Solche Bauten unterstützen die Landwirtschaft und erhöhen den Werth des Bodens, wie den Muth und Fleiß der Bewohner“.
Der einzig nennenswerte Gewerbebetrieb war Bad Jungbrunn, das sich im 19. Jahrhundert vom kleinen Bauernbadl zu einer Fremdenverkehrsattraktion aufschwang. Ansonsten hielt sich das Gewerbe im bescheidenen ländlichen Rahmen. Der österreichische Zentralkataster von 1903 führt für Tristach an: 1 Badeanstalt (Jungbrunn), 1 Gemischtwarenhändler, 1 Holzhändler, 1 Kleidermacher, 1 Müller, 1 Näherin, 1 Sägewerk, 1 Tischler, 1 Weber, 2 Schuhmacher und 3 Wirte.